Antizyklisch Reisen im Wohnmobil zu Corona-Zeiten…
Im Sommer 2020 von West nach Ost innerhalb Deutschlands…
Text & Fotos: Kalle Meyer/Fotos: Anne Büürma
Nicht immer sind wir mit den großen Politikern in unserem Lande einer Meinung. Die sich abzeichnende, erfolgreiche Bewältigung (Stand Juni 2020) der Corona-Krise jedoch, nötigt einiges an Respekt vor den Mandatsträgern ab. Mutige und entschlossene Entscheidungen haben dazu beigetragen viele Menschenleben zu retten. Diese Entschlossenheit hätte man auch anderen Ländern, besonders in Übersee, gewünscht. Mit dem Monat Juni gibt es europaweit nun einige Erleichterungen zum Thema Reisen geben. Wir freuen uns darüber, bleiben aber weiterhin vorsichtig. Jetzt im zweiten Drittel des Monats Juni soll es aber auch für uns wieder auf Reisen gehen. Von West nach Ost heißt das generelle Thema. Beginnend im äußersten Westen soll uns die Reise über viele Stationen in den äußersten Osten unserer Republik führen. Vorwiegend geht es in uns unbekannte Gebiete und Landschaften. Dabei werden wir versuchen weitgehend antizyklisch fahren, d. h. touristische Hotspots möglichst meiden. Der Wetterbericht verspricht uns hochsommerliche Temperaturen für die nächste Zeit. Beste Voraussetzungen also, jeden Tag zu genießen. Nach einer angenehmen Fahrt, diesmal ausnahmsweise über die Autobahn, sind wir bei strahlend, blauem Himmel in Emmerich am Niederrhein eingetroffen. Unser Stellplatz befindet sich im angrenzenden Teil eines Yachthafens und besticht durch eine gute Lage und bequemen Installationen. Zur Rheinterrasse, direkt in Emmerich, ist es nicht weit. Mit den Fahrrädern eher eine Kleinigkeit. Die Stadt ist wohl der westlichste Punkt unserer Reise. Mit den Fahrrädern ging los. Vorbei an einer Herde Schafe, die nicht gewillt war den Weg freizugeben. Also vorsichtig drumherum zu laufen. Wir haben mit ihnen diskutiert und dabei festgestellt, dass es heute nicht die Schafskälte sein könne, die sie so träge erscheinen ließen. Ein lang gehegter Wunsch von uns beiden war es, einmal mit dem Fahrrad ganz bis in die Niederlande zu fahren. Diesen Wunsch haben wir uns erfüllt. Okay, von Emmerich aus in die Niederlande ist es nun wirklich nicht weit. Ein paar Kilometer am Rhein entlang und schon ist man da. Doch wir können immerhin behaupten, wir seien mit den Fahrrädern dort gewesen. Spijk, gleich nach der Grenze wurde unser Ziel. Der Ort wirkte ausgestorben. Ist kein Wunder, ist es doch eigentlich nur ein Schlafort. Die Menschen arbeiten sicherlich woanders. Die Sonne gab ihr Bestes und wir beschlossen, nach einem kleinen Einkauf, den Rest des Tages lieber im Schatten zu verbringen. Es ist nur ein kleiner Satz von Emmerich nach Goch, doch er führte uns durch eine herrliche niederrheinische Landschaft. 30 Kilometer pures Vergnügen. Nach unserer Installation auf dem örtlichen Stellplatz sollte der Ort erkundet werden. Natürlich sind wir erstmal in die falsche Richtung gelaufen. Unseren Fehler haben wir schnell bemerkt und gleichzeitig einen Wanderweg entlang des Flüsschens „Niers“ gefunden. Knalliger Sonnenschein begleitete unseren Weg. Überrascht waren wir vom Ortszentrum. Gepflegte Häuser, gemütliche Kleinstadt-Atmosphäre, nette Geschäfte und das alles in einer mit Blumen geschmückten
kleinen Stadt. Ein Ort zum Wohlfühlen, so unsere Überzeugung. Annes defekte Brille konnte beim Optiker fachgerecht repariert werden, auch noch kostenlos. Ganz schön blöd geguckt hat Kalle, als sie mit einem Glas Honig aus dem Optikergeschäft herauskam. Des Rätsels Lösung: Der Optiker ist auch gleichzeitig Imker. So konnte er wenigstens seinen Honig an dankbare Kunden verkaufen. Der Kalauer des Tages ergibt sich aus unserem nächsten Ziel. „Wie heißt der Bürgermeister von WESEL/D, natürlich echot es zurück „ E s e l “. Das hat schon so einen Bart und ist ewig alt, doch wir sind zum ersten Mal in dieser Stadt und da fällt uns dieser Kinderspruch wieder ein. Liebenswert wird massiv mit dem Symbol der Stadt Werbung gemacht. Esel wohin man auch schaut. Uns hat es gefallen, wir haben schon schrecklichere Werbeschilder gesehen. Wir mögen Esel, vielleicht oder gerade deshalb, weil sie nicht immer kalkulierbar sind. Die Rheinauen rund um den Auesee laden zur Fahrradtour ein. Alles fast vor unserer „Haustür“ gelegen. Über hervorragende Wege ging es am Yachthafen vorbei an den Auesee. Wir bekamen einmal richtig den Wind von vorne. In Böen durchaus 7 Bft. Der Himmel riss immer wieder auf und das gewünschte blau kam zum Vorschein. Ein großer Teil des Radweges führt über eine ehemalige Bahntrasse, der Wind (nun von Hinten) half uns ordentlich beim Treten. Ein uns sehr wichtiges Ziel wurde dann der „Treff West“ unserer „Reisemobil Union e.V. (RU)“ in Dorsten. Mit gesponserten echten Dorstener Getränken wurde unser Treffen eröffnet. Eine tolle Gesprächsrunde fand erst kurz vor Mitternacht ein Ende. Auf so etwas haben die Mitglieder der Reisemobil-Union e. V. schon länger gewartet. Am nächsten Tag, es war ein Samstag, konnte, wer will, an einer Fahrradtour zum „Wasserschloss Lembeck“ teilnehmen. Durch eine abwechslungsreiche Landschaft wurde das Schloss nach rund 13 Kilometern erreicht. Ein Rundgang durch den überaus gepflegten Schlosspark wurde zum Highlight dieses Ausfluges. Den Nachmittagskaffee versüßten uns die RU-Damen auf dem Stellplatz mit frisch gebackenen Waffeln. So lässt es sich Leben, wie alle fanden. Doch auch die Pflicht galt es zu Erfüllen. Einige kontroverse Themen standen auf der Tagesordnung. Es wurde ausgiebig diskutiert und auch Aufträge an das Präsidium der RU formuliert. Dank der straffen Leitung durch Bärbel Rave und den disziplinierten Wortmeldungen wurde die Sitzung des Treff-West nicht zeitlich überstrapaziert. Obligatorisch bei den Veranstaltungen der „Reisemobil-Union e.V.“ (RU) ist die sonntägliche Verabschiedung der Teilnehmer. Das übernahm selbstverständlich Bärbel Rave mit launigen Worten und verbunden mit der Hoffnung auf eine gesunde Weiter/Heimfahrt. Gleichzeitig lud sie bereits jetzt zum Advents-Treffen vom 27. bis 29. November 2020 in Bocholt ein. Über Bad Emstal mit seinem schönen Stell/Campingplatz inklusive Hallenpool, Sauna und Wellness-Angeboten ging für uns die Reise weiter in Richtung Osten der Stadt Erfurt in Thüringen entgegen. Unter Umgehung von Autobahnen standen am frühen Nachmittag auf dem Stellplatz in der Stadt. Der Platzbetreiber wies uns ausführlich in die Gegebenheiten ein und erklärte uns den Weg in die Stadt via Tram-Bahn. Wie sich herausstellte ein völlig problemloser Weg. Danke für die Einweisung. Nicht wirklich viel erwartend, staunten wir nicht schlecht über diese Stadt. Ein fast südländisches Flair versprühten die Straßen. Wunderbar restaurierte historische Gebäude wohin man auch schaut. Dann die „Krämerbrücke“ mit ihren reizenden Geschäften, fast wie in Italien. Vor dem Dom wurde gerade für eine Opern-Gala aufgebaut. Das Gelände des Domes sowie die „St. Severi Kirche“ konnten jedoch besichtigt werden. Uns
gelüstete nach kräftiger Nahrung. Was liegt also näher in Thüringen nach „Original Thüringer Gerichte“ zu verlangen. In einem romantischen Biergarten wurden uns „Thüringer Knödel“ mit passendem Schwarzbier serviert. Erfurt hat uns in jeder Beziehung sehr angenehm überrascht. Ein paar Tage im „Elbsandsteingebirge“ sollten eingelegt werden. Zu unserem großen Erstaunen waren fast alle Stellplätze sowie auch die Campingplätze ausgebucht. Rund um die Festung „Königstein“ und dem Gebiet der „Bastei“ war nichts mehr zu bekommen. Offensichtlich ein touristischer Hotspot. Wir haben umdisponiert und uns Zittau in der „Lausitz“ ausgesucht. Hier bietet man einen sehr komfortablen Stellplatz mit kurzen Wegen zur Altstadt sowie zum Einkauf an. Ein ausgiebiger Rundgang durch die Stadt stand an. Was wir sahen, hat uns einerseits überrascht und andererseits sehr erfreut. Genau das war der Grund unserer Reise: Vorurteile abbauen. Eine wirklich liebenswerte Stadt, ohne Hektik mit freundlichen Menschen haben wir kennengelernt. Zittau verfügt über eine reichliche historische Bausubstanz, die in den meisten Fällen sehr sorgfältig restauriert ist. Das Rathaus sowie die „Johanniskirche“ sind vom berühmten Baumeister „Schinkel“ erbaut. Mit der „Zittauer Schmalspurbahn“ der Sächsisch-Oberlausitzer Eisenbahngesellschaft wurden wir zu einer romantischen Fahrt in den Kurort Oybin transportiert. Es war eine Fahrt die uns in unsere Kindheit zurückversetzte. So oder so ähnlich sind wir in unserer Jugend ganz normal gereist. Dampflokomotiven, Schaffner, Trillerpfeifen und ganz viel Ruß begleitete die Fahrt. Ausdrücklich war das Pflücken von Blumen während der Fahrt streng untersagt. Nach mehreren Stopps an kleinen Haltestationen und einer spektakulären Doppelausfahrt zweier Dampfzüge vom Bahnhof Bertsdorf erreichten wir Oybin. Der Kurort wirkt sehr aufgeräumt und sauber, lädt natürlich auch zum Spaziergang ein. Unser Ziel wurde zunächst die recht interessante „Bergkirche“ und dann weiter zur berühmten Sehenswürdigkeit „Burg & Klosterruine Oybin“. Wir staunten nicht schlecht über die Größe der Anlage. Gut erschlossene Wege machten die Erkundung zu einem Vergnügen. Das „Zittauer Gebirge“ ist das kleinste deutsche Mittelgebirge, braucht sich aber gar nicht hinter anderen Gebirgen zu verstecken. Eine Fahrradtour durch gleich drei unterschiedliche Länder unternimmt man auch nicht gerade täglich. Vom Stellplatz in Zittau aus ging es zunächst immer entlang der „Neiße“ in Richtung „Dreiländereck“. An diesem magischen Ort treffen die Staaten Polen, Tschechien und Deutschland aufeinander. Nur mit einem Blick über den Grenzfluss „Neiße“ konnten wir die genaue Stelle sehen. Eine kleine Brücke wäre schön gewesen. Unsere Fahrradtour wurde dann aber international. Zunächst erreichten wir Tschechien, um uns von dort aus Deutschland zu betrachten. Gleichzeitig standen wir endlich auch am Ort des Geschehens, dem „Dreiländereck“. Anschließend sind wir nach Polen weitergefahren, um wieder nach Deutschland einzureisen. Eine wahrlich spannende Tour, die wir an diesem Tag mit vielen anderen Menschen aus den drei Ländern gemeinsam erleben konnten. Nun galt es dem Fürsten Pückler die Aufwartung zu machen. Sein „bescheidenes“ Domizil befindet sich in Bad Muskau. Dicht beim örtlichen Wohnmobilstellplatz ist auch gleich der deutsch-polnische Muskauer Park mit des Fürsten Schloss zu finden. Wir haben uns den Park mit dem Fahrrad erobert. Es ist ein immerhin 830 ha großer Landschaftspark im englischen Stil. Seit 2004 hat die UNESCO ihn zum Welterbe erklärt. Mit dem Fahrrad fährt man, mal hüben mal drüben, immer wieder über die „Neiße“ und damit über eine Staatsgrenze, man bemerkt es nur an den
unterschiedlich farbigen Grenzsteinen. Das Schloss des Fürsten Pückler hat es uns angetan. Wir haben ihn zu Hause besucht. Aus verständlichen Gründen war er nicht persönlich anwesend, er verstarb bereits 1871, doch wir konnten seine Räumlichkeiten besichtigen. In Polen haben wir uns einen „Geologie Park“ angesehen und per E-Bike durchfahren. Es ist sehr interessant, was aus einem ehemaligen Kohlefördergebiet für ein schöner Landschaftspark werden kann. Leider ist das Wasser in den Seen so sauer wie Essig. Es tritt so aus dem Boden. Das hängt mit der Kohle zusammen. Das saure Wasser sieht man deutlich. Partiell leidet die Natur, doch ist das saure Wasser, in diesem Falle, eben auch Natur. Der Polen-Markt, dicht an der Grenze, ließ sich nicht vermeiden. Das Angebot entspricht dem in Spanien auf den Wochenmärkten. Es scheint hier jedoch noch billiger zu sein. In Frankfurt/Oder schauten wir erstmalig in die Oder. Die Stadt ist unspektakulär, es gibt nicht viel zu sehen. Eine Fahrradtour allerdings entlang der Oder stand auf der Wunschliste. Wir entschieden uns für den Oder-Radweg. Das war nicht schwer, führt er doch direkt am Stellplatz in Frankfurt/Oder vorbei. Ziel wurde der kleine Ort Lebus, etwa 10 Kilometer entfernt. Für uns war es schon etwas Besonderes entlang der Oder zu fahren. Ähnlich wie an der Neiße ist auch die Oder ein Grenzfluss. Wir erinnern uns noch gut an unsere Schulzeit, in der ständig von der Oder/Neiße Linie die Rede war. Glücklicherweise liegt das nun schon lange hinter uns allen. Lebus haben wir als sehr ruhig erlebt. Lediglich die Störche machten auf sich aufmerksam. Unser Navi, bekanntermaßen „Dat Schantalle“, führte uns zielgenau zu einem weiteren Ziel unserer Reise, nach Schwedt/Oder. Die Route führte über weite Strecken durch Polen. Uns war es egal, auch diese Straßen sind sehr gut ausgebaut. Positiv überrascht waren wir von Schwedt/Oder, hatten wir doch eine Industriestadt erwartet. Die Oder-Promenade und die zugegebenermaßen vielen Plattenbauten glänzten mit einem sehr guten Zustand. Baulich wurden die Häuser ideenreich modernisiert und auch farblich nett gestaltet. Insgesamt gefielen uns die Häuser, alte wie neue, sehr gut. Die Stadt wirkt ausgesprochen sauber und adrett. Industriestädte ganz im Westen der BRD erscheinen dagegen sehr viel rustikaler, um es freundlich auszudrücken. Ein Highlight der Stadt ist sicherlich die schöne Oder-Promenade. Zwischen altem Baumbestand wurde eine schöne Flaniermeile hergerichtet. Ob es auch andere Seiten von Schwedt/Oder gibt, können wir nicht sagen. Vielleicht haben wir zufällig das Wohnzimmer der Stadt getroffen. Die Stadt ist auf jeden Fall einen Aufenthalt wert. Problemlos fand unsere „Schantalle“ den überaus großzügigen Wohnmobilstellplatz bei der „Natur Therme“ in Templin. Die Stadt verfügt über eine sehenswerte Altstadt. Historische Gebäude, teils aus dem 1700 Jahrhundert, prägen das Stadtbild. Eine weitgehend intakte Stadtmauer versetzte uns zurück in jene Zeit. Durch den Templiner Kanal und den Stadtsee ist die Stadt sicherlich zu zwei Drittel von Wasser umgeben. Der Stellplatz in Templin liegt in unmittelbarer Nähe zur „Natur Therme“. Wir haben einen Tag in der Therme bei wohligen Temperaturen genossen. Etliche unterschiedliche Badebecken stehen zur Verfügung. Besonders ausgeprägt ist hier das Familienerlebnis. Kein Wunder also, dass Kinder aller Altersstufen mit Mama und Papa im Schlepptau das Wasser drinnen und draußen bevölkern. Ein letztes, nicht minder interessantes Ziel, im Osten von Deutschland, wurde die Stadt Burg, dicht bei Magdeburg gelegen. Wir haben uns die Stadt angesehen und wie so oft auf dieser Reise, nicht schlecht gestaunt. In weiten Teilen ist die Stadt sehr gut renoviert, hat einige
Sehenswürdigkeiten zu bieten, doch einen Weinberg den haben wir nun wirklich nicht vermutet. Man lernt doch nie aus. Corona-Bedingt haben wir eine Reise von West nach Ost in Deutschland unternommen. Viele uns völlig unbekannte Gegenden konnten wir erkunden und Vorurteile abbauen. Wir haben neue, zu 99% sehr positive Erfahrungen gemacht. Ob ganz im Westen, am Niederrhein oder ganz im Osten an Neiße und Oder, überall sind wir sehr freundlich und zuvorkommend empfangen worden. Natürlich sind große Lücken geblieben. Es war unmöglich alles sehen. Doch, so viel kann jetzt schon gesagt werden, der Osten der BRD ist landschaftlich sehr reizvoll. Es liegt für uns nahe, in Zukunft unseren Fokus besonders hierher zu richten. Schöne Städte, herrliche Landschaften, freundliche Menschen und was zurzeit besonders wichtig erscheint, tolle Stellplätze die (noch) nicht überfüllt sind. Auch der Osten ist eine Reise wert…(K.M.)